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"Schneewittchen" - Psychologie im Märchen

Shownotes

Heute geht es in unserer kleinen Märchenserie richtig zur Sache: Christian und Franca denken gemeinsam darüber nach, ob man die böse Königin zwangseinweisen könnte wegen akuter Fremdgefährdung. Der Prinz und seine (ähem!) morbiden Vorlieben werden ebenfalls beleuchtet, und Schneewittchen selbst kommt auch nicht besonders gut weg. Wenn es sich bei Schneewittchen zufällig um dein Lieblingsmärchen handeln sollte, hör vielleicht einfach nur die erste Hälfte der Podcastfolge - denn danach wird die Story zerlegt :)

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Kommentare (2)

Thea

Liebe Franca, lieber Christian, heute habe ich eure Podcast-Folge über das Märchen Schneewittchen gehört. Ich finde es eine super Idee, Märchen aus einer psychologischen Sichtweise zu betrachten. Vielen Dank dafür. Super war auch, dass ihr das Märchen Schneewittchen in der Originalversion gelesen habt. Ich hatte schon einmal davon gehört, dass es ursprünglich die eigene Mutter war, die Schneewittchen töten wollte. Dies jetzt auch so vorgelesen zu bekommen, war für mich sehr bewegend. Wie man Märchen interpretiert, ist natürlich immer sehr individuell. Und ich habe da so meine ganz eigene Interpretation. Ich schreibe euch das hier und mich würde natürlich interessieren, wie ihr darüber denkt, obwohl ich weiß, dass ihr stark eingebunden seid und vermutlich kaum dazu kommen werdet. Ich bin Betroffene einer nach meiner Wahrnehmung narzisstischen Mutter und sehe in diesem Märchen ganz viele Aspekte meiner eigenen Entwicklung. Für mich hat die Mutter Schneewittchens ganz klar narzisstische Persönlichkeitsmerkmale. Schönheit und im Mittelpunkt zu stehen sind ihr wichtig, so hattet ihr es ja auch beschrieben. Als ihre Tochter größer wird, das Alter finde ich nebensächlich, entdeckt sie, dass sie eine eigene Persönlichkeit hat. Sie ist schön, wahrscheinlich auch klug, fröhlich, wissbegierig, also auch schön im übertragenen Sinn, wie Christian auch vermutete. Und die Mutter beginnt, sie zu bekämpfen, weil sie das nicht ertragen kann. Es ist regelrecht Hass. „Gut“ in ihr kann es nur werden, wenn die Tochter vernichtet ist. Der Jäger ist für mich einer der Helfer im System, ein „flying monkey“, ein Ausführender der Boshaftigkeit, die von der Mutter ausgeht. Allein mit ihr bringt er dem Mädchen dann aber etwas entgegen, was sie von ihrer Mutter nie bekam: Mitgefühl. Wenn auch nur auf einer ganz basalen Ebene, nämlich: ich lasse dir dein Leben. - Ich muss dabei an meinen Vater denken, der immer auf der Seite meiner Mutter stand und oft die Gewalt ausführen musste. Es gab aber auch immer wieder Momente, in denen ich gespürt habe, dass er mich eigentlich liebt. Winzig kleine Momente der Rührung. Schneewittchen findet ein neues Zuhause bei ihr erst einmal sehr fremden Menschen. Sie erscheinen ihr wie aus einer anderen Welt zu kommen. Die Zwerge stehen für mich für die Menschen „da draußen“, so wie ich sie als Mädchen wahrgenommen habe: Sie sind alle irgendwie anders. Sie leben in einer anderen Welt, die ich nicht verstehe, aber nach der ich mich sehne. Das Mädchen ist ausgehungert, ganz buchstäblich. Ihr hat es seit Jahren an ganz grundlegender Bedürfniserfüllung gefehlt. Diesen Hunger kann sie erst einmal ganz in Ruhe und für sich alleine stillen. Dort bei den Zwergen darf sie sein und zur Ruhe kommen. Die Zwerge begegnen ihr liebevoll, lassen sie schlafen. Sie helfen ihr, ins Leben hinein zu wachsen. Auch hier sehe ich mich wieder. Ich habe von meiner Mutter nicht gelernt, wie ich Essen zubereite, wie ich mich sich selber versorgen kann, wie Körperpflege geht. Deswegen sehe ich Schneewittchens Arbeiten im Haus der Zwerge positiv. Sie darf Teil dieser Gemeinschaft sein und ihren Beitrag dazu leisten. Ihr Bedürfnis nach Teilhabe und Dazugehörigkeit wird endlich gestillt. Dreimal kommt ihre narzisstische Mutter zu ihr mit bösen Absichten. Ihre Verkleidungen stehen für mich für die Lügen und Manipulationen, mit denen eine narzisstische Mutter ihre Tochter für ihre Zwecke benutzt. Deswegen sehe ich in den Reaktionen Schneewittchens auch keine naiven, dummen Antworten. Ich sehe mich selber darin, wie ich immer wieder in alte Muster hineinfalle, weil ich nicht gelernt habe, welchen Menschen ich trauen kann und welchen nicht. Ich sehe mich darin, wie ich Menschen viel zu naiv gegenübertrete, wenig auf mein eigenes Gefühl hören kann, nichts entgegenzusetzen habe, praktisch kaum Konfliktfähigkeit erworben habe. Und so bin ich auch nicht gut für Gefahren ausgerüstet, wenn in meinem Leben immer wieder Menschen auftauchen, die nicht mein Bestes wollen. Ich selber bin später an eine – wieder nach meiner persönlichen Interpretation - narzisstische Kollegin geraten, der ich viele Jahre lang nichts entgegenzusetzen hatte und vor der ich immer wieder schuldbewusst eingeknickt bin. Dieses Muster steckt für mich in den drei Begegnungen mit der verkleideten Mutter am Zwergenhaus. Die Zwerge geben ihr bestes. Sie durchschauen das System und die Gefährlichkeit der Mutter. Sie tun, was sie können, warnen sie immer wieder. Wie Freundinnen, Nachbarn, andere Familienmitglieder, die von Narzissmus betroffenen Menschen raten: Trenne dich von deinem Partner usw. Und doch schaffen diese es aufgrund ihrer psychologischen Voraussetzungen oft lange Zeit nicht. Das Motiv mit dem Glassarg ist mir aus meiner Perspektive auch sofort intuitiv verständlich. So habe ich mich in meiner Pubertät gefühlt: wie in einem Glassarg gefangen. Eine äußere Hülle ohne Inhalt, kein Leben, kein Persönlichkeit, getrennt von der Außenwelt, anders als alle anderen, wie ein Alien. Auch abgetrennt von innigen Freundschaften und ersten Liebeserfahrungen. Die Rolle des Prinzen wirkt auf den ersten Blick mega kitschig, da stimme ich euch zu. Aber auch das sehe ich aus meiner persönlichen Erfahrung heraus mit anderen Augen. Für mich ist dieser Prinz einer, der an dieses Mädchen glaubt. Der sie, obwohl sie wie eine Leiche daherkommt, ihre Schönheit erkennt. Er liebt sie, obwohl erst einmal nichts zurückkommt. Es dauert eine lange Zeit, bis sie bildlich gesprochen den Apfel ihrer vergifteten Kindheit und emotionalen Abhängigkeit von ihrer Mutter ausspucken kann. Der Weg in ein eigenes Leben kann endlich beginnen. Ich selber habe tatsächlich erst durch meinen jetzigen Mann kennengelernt, was es heißt, bedingungslos geliebt zu werden und zu lieben. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich das an mich heranlassen konnte. Mein Mann hat immer zu mir gehalten. Auch wenn es extrem kitschig klingt, ist er für mich wie dieser Prinz im Märchen. Was mich oft umtreibt, ist der Gedanke daran, dass es nie einen Moment geben wird, in dem meine Mutter erkennen wird, was sie mir angetan hat und es mir sagen oder sich gar entschuldigen wird. Das ist bitter. Und manchmal kommen inzwischen tatsächlich manchmal Rachegedanken. Für mich sind es Schritte auf dem Weg der Heilung, nicht mehr die Schuld bei mir zu suchen. Der Tanz der Mutter in den glühenden Schuhen sind für mich ein Bild dafür, dass Schneewittchen es endlich geschafft hat, sich von ihrer Mutter zu trennen. Ich glaube, Schneewittchen ist jetzt mein neues Lieblingsmärchen. Ihr habt es mir also gar nicht entzaubert, sondern im Gegenteil: Ich habe es auf einer ganz anderen Ebene verstanden. Ich danke euch für euren Anstoß dazu!

Zuhörerin

Danke für eure tolle Arbeit und diesen großartigen Podcast! Ich finde Neid ist absolut normal und nicht schlimm, dass was die König empfindet ist für mich Missgunst, das finde ich einen wichtigen Untetschied! Liebe Grüße

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